Neue BGH-Rechtsprechung zum § 52a UrhG
Da ich gerade als Vorbereitung für einen Vortrag nächste Woche meine Unterlagen über „Urheberrecht im Hochschulgebrauch“ überarbeite und aktualisiere und auch die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 52a UrhG einarbeite, ist mir aufgefallen, dass ich zumindest die Pressemitteilung des BGH zur Entscheidung vom 20.04.2013 – Az. I ZR 84/11 noch garnicht in den Blog eingestellt habe. Die ausführlichen Entscheidungsgründe liegen leider noch nicht vor.
Da der BGH die Sache an das OLG München zurückverweist, kann man der Pressemitteilung des BGH lediglich eine Tendenz des Bundesgerichtshofs entnehmen.
Hintergrund: Das OLG München (Entscheidung vom 24.03.2011, Az. 6 WG 12/09) hatte gem. § 16 Abs. 4 UrhWG einen Gesamtvertrag zwischen den Trägern der Hochschulen (Bundesländer) und der VG Wort festzusetzen, welcher die gem. § 52a Abs. 4 UrhG erforderliche Vergütung für das „Ins-Hochschul-Intranet-Stellen“ von Werken vorsieht. Interessant ist in diesem Zusammenhang, welche Teile des vom OLG München erstellten Gesamtvertrags der BGH billigt – und welche nicht. Insbesondere nimmt der BGH auf den „Gesamtvertrag zur Vergütung von Ansprüchen nach § 52a UrhG für das öffentliche Zugänglichmachen von Werken für Zwecke des Unterrichts an Schulen“, welcher die Kultusministerien der Länder und verschiedene Verwertungsgesellschaften (u.a. auch die VG Wort) für den Bereich der öffentlichen Schulen abgeschlossen hatte und scheint diese Regelungen – sofern man das so in die Pressemitteilung hineinlesen will – als angemessen zu betrachten. Insbesondere scheint der BGH auch den umstrittenen Begriff des „kleinen Teil eines Werks“ mit max. 12% des Werks und als „Werke geringen Umfangs“ Druckwerke mit maximal 25 Seiten verstehen zu wollen. Das OLG Stuttgart ist in seiner Entscheidung vom 04.04.2012, Az. 4 U 171/11 der Ansicht, eine Bestimmung eines „kleinen Teil eines Werks“ anhand einer festen Prozentzahl verbiete sich und es komme quasi auf den Einzelfall an.
Es darf mit Spannung verfolgt werden, welche Schlüsse das OLG München nun als zuständiges Gericht aus dieser BGH-Entscheidung zieht und natürlich insbesondere wie der BGH generell die sehr umstrittene Vorschrift des § 52a UrhG auslegt. Das LG Stuttgart und als Berufungsinstanz das OLG Stuttgart hatten den § 52a UrhG ja sehr restriktiv ausgelegt – meines Erachtens an den Rande der Praktikabilität und von den Motiven des Gesetzgebers (Einsatz moderner Medien in Schulen und Hochschulen zu stärken) weit entfernt. Wobei man die mit vielen Einschränkungen versehene Gesetzesformulierung natürlich dem Gesetzgeber selbst ankreiden muss.
RA Steinle, LL.M., Fachanwalt für IT-Recht, Externer Datenschutzbeauftragter (IHK), Karlsruhe
Anbei die angekündigte Pressemitteilung des BGH – stammt bereits vom 21.03.2013
Der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte sich mit einem vom Oberlandesgericht München festgesetzten Gesamtvertrag zwischen der Verwertungsgesellschaft Wort und den Bundesländern über die Vergütung für das Einstellen von Texten in das Intranet von Hochschulen zu befassen.
Die Klägerin ist die VG Wort; sie nimmt die urheberrechtlichen Befugnisse von Wortautoren wahr. Sie verlangt von den Bundesländern – verklagt sind alle Bundesländer in ihrer Eigenschaft als Träger verschiedener Hochschuleinrichtungen – den Abschluss eines „Gesamtvertrags über die Abgeltung von Ansprüchen nach § 52a UrhG für das öffentliche Zugänglichmachen von Sprachwerken für Zwecke des Unterrichts und der Forschung an Hochschulen“.
Gemäß § 52a Abs. 1 UrhG ist es zulässig, kleine Teile eines Werkes, Werke geringen Umfangs sowie einzelne Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften u.a. zur Veranschaulichung im Unterricht an Schulen und Hochschulen (§ 52a Abs. 1 Nr. 1 UrhG) oder Teile eines Werkes, Werke geringen Umfangs sowie einzelne Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften ausschließlich für einen bestimmt abgegrenzten Kreis von Personen für deren eigene wissenschaftliche Forschung (§ 52a Abs. 1 Nr. 2 UrhG) öffentlich zugänglich zu machen, das heißt für die berechtigten Nutzer ins Intranet der jeweiligen Einrichtung zu stellen. Weitere Voraussetzung ist, dass diese Nutzung zu dem jeweiligen Zweck geboten und zur Verfolgung nicht kommerzieller Zwecke gerechtfertigt ist. Für diese Nutzung des Urheberrechts ist gemäß § 52a Abs. 4 Satz 1 UrhG eine angemessene Vergütung zu zahlen, wobei der Anspruch nach § 52a Abs. 4 Satz 2 UrhG nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden kann.
Die Parteien streiten vor allem darüber, wie zur Bestimmung des nach § 52a Abs. 1 UrhG zulässigen Nutzungsumfangs die Begriffe „kleine Teile eines Werkes“, „Teile eines Werkes“ und „Werke geringen Umfangs“ zu definieren sind, ob ein öffentliches Zugänglichmachen nicht „geboten“ und damit unzulässig ist, wenn der Rechteinhaber das Werk oder den Werkteil in digitaler Form (als „E-Book“) für die Nutzung im Netz der Einrichtung zu angemessenen Bedingungen anbietet, welche Vergütung „angemessen“ ist und ob die einzelnen Nutzungen zu erfassen und abzurechnen sind (so der Vorschlag der Klägerin) oder aufgrund repräsentativer Erhebungen pauschale Vergütungen geschuldet sind (so der Vorschlag der Beklagten).
Die Klägerin hat beim Oberlandesgericht München die gerichtliche Festsetzung eines Gesamtvertrags beantragt. Gemäß § 16 Abs. 4 Satz 3 UrhWG hat das Oberlandesgericht einen Gesamtvertrag nach „billigem Ermessen“ festzusetzen.
Der vom Oberlandesgericht festgesetzte Gesamtvertrag folgt hinsichtlich der Festlegung des zulässigen Nutzungsumfangs, des Vorrangs angemessener Angebote der Rechteinhaber und der Erfassung einzelner Nutzungen weitgehend dem Vorschlag der Klägerin und sieht als angemessene Vergütung dem Begehren der Beklagten entsprechend eine nach Gruppengrößen gestaffelte degressive Vergütung pro Werk oder Werkteil vor.
Dagegen haben beide Parteien die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt.
Der Bundesgerichtshof hat den vom Oberlandesgericht festgesetzten Gesamtvertrag nicht in allen Punkten gebilligt und die Sache daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Es sei zwar nicht zu beanstanden, dass der Gesamtvertrag einen Vorrang angemessener Angebote der Rechteinhaber und eine Erfassung und Abrechnung einzelner Nutzungen vorsehe. Das Oberlandesgericht habe jedoch nicht überzeugend begründet, weshalb es bei der Festlegung des zulässigen Nutzungsumfangs teilweise von den Regelungen abgewichen sei, die die Parteien im gleichfalls Sprachwerke betreffenden „Gesamtvertrag zur Vergütung von Ansprüchen nach § 52a UrhG für das öffentliche Zugänglichmachen von Werken für Zwecke des Unterrichts an Schulen“ getroffen haben; danach sind unter „kleine Teile eines Werkes“ maximal 12% eines Werkes, „Teile eines Werkes“ maximal 25% eines Werkes (jedoch nicht mehr als 100 Seiten) und „Werke geringen Umfangs“ Druckwerke mit maximal 25 Seiten zu verstehen.
Es erscheine auch nicht sachgerecht, die Vergütung für das öffentliche Zugänglichmachen von Sprachwerken an Hochschulen – entsprechend dem von der Beklagten mit anderen Verwertungsgesellschaften geschlossenen „Gesamtvertrag zur Vergütung von Ansprüchen nach § 52a UrhG für das öffentliche Zugänglichmachen von Werken mit Ausnahme von Sprachwerken an Hochschulen“ – nach dem Werk oder Werkteil und nicht nach der Zahl der Seiten des Druckwerks, nach Gruppengrößen und nicht nach der Zahl der Teilnehmer der Veranstaltung sowie degressiv und nicht linear zu bemessen. Nicht zu beanstanden sei allerdings, dass sich das Oberlandesgericht bei der Bemessung der Vergütung an der sogenannten Kopiervergütung orientiert habe, die aufgrund eines zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenvertrages vom 8. März 2007 für Vervielfältigungen nach § 54a Abs. 2 UrhG aF (jetzt § 54c UrhG) zu zahlen sei und 0,008 € (0,8 ct) pro Seite betrage.
Urteil vom 20. März 2013 – I ZR 84/11 – Gesamtvertrag Hochschul-Intranet
Vorinstanz: OLG München, Urteil vom 24. März 2011 – 6 WG 12/09, ZUM-RD 2008, 360
Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 21.03.2013