I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27. März 2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte zu 5 C 314/06 abgeändert und wird der Tenor zu 1. wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, es künftig zu unterlassen, die nachfolgend aufgelisteten personenbezogenen Daten des Klägers, die im Zusammenhang mit der Nutzung des Internetportals „https://www.bmj.bund.de“ übertragen wurden, über das Ende des jeweiligen Nutzungsvorgangs hinaus zu speichern:
a) die Internetprotokolladresse (IP-Adresse) des zugreifenden Hostsystems;
b) sofern auch die Internetprotokolladresse (IP-Adresse) des zugreifenden Hostsystems gespeichert wird, den Namen der abgerufenen Datei bzw. Seite, Datum und Uhrzeit des Abrufs, die übertragene Datenmenge sowie die Meldung, ob der Abruf erfolgreich war.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
I.
Der Kläger hat vor dem Amtsgericht Mitte zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es künftig zu unterlassen, personenbezogene Daten des Klägers über die Nutzung des Internetportals „https://www.bmj.bund.de“ über das Ende des jeweiligen Nutzungsvorgangs hinaus zu speichern. Er hat dies damit begründet, dass durch die Speicherung der IP-Adresse bei der Beklagten nachvollzogen werden könne, welche Informationen er auf dem Internetportal der Beklagten betrachtet und wofür er sich interessiert habe, so dass je nach dem Inhalt der betrachteten Internetseiten unter Umständen Rückschlüsse auf seine politische Meinung, Krankheiten, Religion, Gewerkschaftszugehörigkeit usw. abgeleitet werden könnten. Gegen die Fassung des Antrages hat das Amtsgericht keine Bedenken geäußert. Am 27. März 2007 hat das Amtsgericht Mitte im schriftlichen Verfahren ein Urteil mit folgendem Tenor in der Hauptsache erlassen:
„1. Die Beklagte wird verurteilt, es künftig zu unterlassen, die nachfolgend aufgelisteten personenbezogenen Daten des Klägers, die im Zusammenhang mit der Nutzung des Internetportals „https://www.bmj.bund.de“ übertragen wurden, über das Ende des jeweiligen Nutzungsvorgangs hinaus zu speichern:
Name der abgerufenen Datei bzw. Seite; Datum und Uhrzeit des Abrufs; übertragene Datenmenge; Meldung, ob der Abruf erfolgreich war sowie die Internetprotokolladresse (IP-Adresse) des zugreifenden Hostsystems.“
Gegen das ihr am 2. April 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30. April 2007 die vom Amtsgericht zugelassene Berufung eingelegt und die Berufung am 1. Juni 2007 begründet.
Die Beklagte beantragt,
das am 27. März 2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte – 5 C 314/06 – abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit die Beklagte verurteilt wurde, es zu unterlassen, den Namen der abgerufenen Datei bzw. Seite, Datum und Uhrzeit des Abrufs, die übertragene Datenmenge sowie die Meldung, ob der Abruf erfolgreich war, über das Ende des jeweiligen Nutzungsvorgangs hinaus zu speichern, auch wenn diese Daten ohne die IP-Adresse des zugreifenden Hostsystems gespeichert werden.
Der Kläger hat die Berufung in der Berufungserwiderung insoweit anerkannt, wie beantragt ist, das am 27.03.2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte – 5 C 314/06 – abzuändern, soweit die Beklagte verurteilt wurde, es zu unterlassen, den Namen der abgerufenen Datei bzw. Seite, Datum und Uhrzeit des Abrufs, die übertragene Datenmenge sowie die Meldung, ob der Abruf erfolgreich war, über das Ende des jeweiligen Nutzungsvorgangs hinaus zu speichern, auch wenn diese Daten ohne die IP-Adresse des zugreifenden Hostsystems gespeichert werden.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, soweit die Beklagte weiter beantragt, die Klage insoweit abzuweisen,
sowie
der Beklagten die Kosten der Berufung aufzuerlegen.
Die Parteien haben mit Schriftsatz vom 12. bzw. 31. Juli 2007 einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt. Mit Beschluss vom 6. August 2007 hat das Gericht das schriftliche Verfahren angeordnet.
II.
1. Mit Zustimmung der Parteien konnte im schriftlichen Verfahren entschieden werden, § 128 Abs. 2 ZPO.
2. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie wegen der Zulassung durch das Amtsgericht statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden.
3. In der Sache hat die Berufung nur insoweit Erfolg, als der Kläger sie anerkannt hat.
a) Die von der Beklagten begehrte Abänderung des erstinstanzlichen Urteils war wegen des Anerkenntnisses des Klägers auszusprechen. Zwar ist § 307 S. 1 ZPO nicht direkt anwendbar, weil der Kläger nicht einen Anspruch, sondern nur einen prozessualen Antrag anerkannt hat. Soweit in der Literatur vertreten wird, dass im „Anerkenntnis“ des Berufungsantrags des Beklagten durch den Berufungskläger ein Verzicht im Sinne von § 306 ZPO liege (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Aufl., § 307 Rn. 10; Vollkommer in Zöller, ZPO, 26. Aufl., Vor §§ 306, 307 Rn. 4 sowie § 307 Rn. 3), kann dies jedenfalls im hiesigen speziellen Fall nicht gelten, weil der Verzicht gemäß § 306 ZPO zur vom Kläger ausdrücklich nicht gewollten Teilabweisung der Klage führen würde und die Erklärung des Klägers daher nicht als Verzichtserklärung ausgelegt werden kann. Wegen der insoweit bestehenden Regelungslücke ist es sach- und interessengerecht, in dieser Sonderkonstellation entsprechend § 307 ZPO das Anerkenntnis eines prozessualen Antrags zuzulassen.
b) Soweit die Beklagte begehrt, die Klage im Umfang der Abänderung abzuweisen, war dem nicht zu entsprechen, da dem Kläger erstinstanzlich etwas zugesprochen worden ist, was er nicht beantragt hatte. Das erstinstanzliche Urteil ist unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO ergangen, da das Amtsgericht den vom Kläger tatsächlich gestellten Antrag offenbar als nicht sachdienlich angesehen und, anstatt gemäß § 139 Abs. 1 S. 2 ZPO auf sachdienliche Anträge hinzuwirken, den Antrag des Klägers ausgelegt und ihm dabei eine Reichweite gegeben hat, die er tatsächlich nicht hatte. Der Kläger hatte erstinstanzlich lediglich begehrt, der Beklagten die Speicherung „personenbezogener Daten“ zu untersagen. Aus seinen erstinstanzlichen Schriftsätzen ergibt sich auch, dass der Kläger Rückschlüsse aus den gespeicherten Informationen auf seine Person nur im Zusammenhang mit der Speicherung seiner IP-Adresse befürchtete, woraus folgt, dass er den Namen der abgerufenen Datei bzw. Seite, das Datum und die Uhrzeit des Abrufs, die übertragene Datenmenge und die Meldung, ob der Abruf erfolgreich war, für sich genommen ohne Speicherung seiner IP-Adresse nicht als „personenbezogene Daten“ im Sinne seines Klageantrages angesehen hatte.
4. Die Kosten des Berufungsverfahrens waren der Beklagten aufzuerlegen. Soweit die Berufung zurückgewiesen worden ist, ergibt sich dies bereits aus § 97 Abs. 1 ZPO. Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf entsprechender Anwendung von § 93 ZPO.
a) Der Kläger hat seine prozessuale Erklärung innerhalb der Frist zur Berufungserwiderung vor Stellung eines die Berufung zurückweisenden Antrages und damit „sofort“ abgegeben.
b) Er hat auch nicht durch sein Verhalten zur Berufung Anlass gegeben, weil er einen so weit reichenden Klageantrag erstinstanzlich gar nicht gestellt hatte. Unerheblich ist auch, dass der Kläger vor Begründung der Berufung nicht von sich aus angeboten hatte, auf die Vollstreckung aus dem Urteil teilweise zu verzichten. Der damals nicht anwaltlich vertretene Kläger musste den Verstoß des Amtsgerichts gegen § 308 ZPO nicht erkennen.
c) § 93 ZPO ist entsprechend anwendbar, da die kostenrechtlichen Folgen des Anerkenntnisses eines prozessualen Antrags nicht gesetzlich geregelt sind und die Interessenlage vergleichbar mit der Interessenlage im Fall des Anerkenntnisses eines Anspruchs ist. Die Argumentation der Beklagten hiergegen greift nicht durch.
aa) Unzutreffend ist zunächst, dass die entsprechende Anwendung von § 93 ZPO auf den Fall des Anerkenntnisses eines Berufungsantrags dazu führen würde, dass jeder Berufungskläger bei vermeintlich offensichtlichen Rechtsfehlern der ersten Instanz den Berufungsbeklagten um einen Vollstreckungsverzicht bitten musste, um einer nachteiligen Kostenfolge zu entgehen. Dies ist allein dann der Fall, wenn die erste Instanz unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO entscheidet. In allen anderen Fällen lägen die Voraussetzungen des § 93 ZPO nicht vor, da der Berufungsbeklagte dann schon deshalb mit Veranlassung zur Einlegung der Berufung gegeben hat, weil er erstinstanzlich einen entsprechenden Antrag gestellt hat.
bb) Zudem gehen die Vergleiche der Beklagten mit der Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer Vollstreckungsabwehrklage bei Vollstreckungsverzicht fehl. Die zitierte Rechtsprechung (BGH NJW 1955, 1556; OLG Karlsruhe NJWE-FER 2000, 98) behandelt die Frage, ob ein Rechtsschutzinteresse als Zulässigkeitsvoraussetzung für ein gerichtliches Vorgehen verneint oder bejaht werden muss. Darum geht es hier nicht. § 93 ZPO setzt nicht voraus, dass das gerichtliche Vorgehen der Gegenpartei des Anerkennenden mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig war.
Es kommt auch nicht darauf an, ob die Beklagte gute Gründe hatte, trotz der Möglichkeit des Vollstreckungsverzichts die Berufung durchzuführen. Maßgeblich ist, dass der Kläger hierzu keine Veranlassung gegeben hatte. Es besteht kein Anlass, ihn mit Kosten zu belasten, nur weil die Beklagte verhindern will, dass die Entscheidung des Amtsgerichts in dieser Form veröffentlicht und zitiert wird.
5. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet in §§ 708 Nr. 1 und Nr. 11, 713 ZPO seine Grundlage.
6. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 ZPO. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung in einer Sonderkonstellation.