Ein Lehrbuchfall zur Frage der Rechtsfolgen bei einer vom Verkäufer nach Vertragsschluss eingetretenen von ihm zu vertretenden Unmöglichkeit der Leistungserbringung (kurz: Nachträgliche, subjektive, zu vertretende Unmöglichkeit im Synallagma) hatte das Landgericht Coburg zu entscheiden. Anbei die Pressemitteilung des Gerichts:
Nach einem jetzt veröffentlichten Urteil des Landgerichts Coburg wurde der Schadenersatzklage eines Käufers im Internet stattgegeben.
Sachverhalt:
Der spätere Kläger hatte vom Beklagten über eine Internetauktionsplattform 10.000 neuwertige Hosen zum Preis von etwas über 20.000,00 Euro erworben. Unmittelbar nach Erteilung des Zuschlags teilte der später verklagte Verkäufer dem Käufer mit, die Ware sei mittlerweile anderweitig verkauft. Man könne nicht mehr liefern. Der Bruder des Verkäufers habe nach einem Wasserschaden die Hosen ohne Kenntnis des Verkäufers weiterverkauft.
Der Kläger wollte, nachdem die Hosen nicht mehr lieferbar waren, etwa 10.000.00 Euro entgangenen Gewinn ersetzt. Er trug vor, dass er die Hosen für 30.000,00 Euro weiterverkauft hätte. Den entgangenen Gewinn wollte er als Schadenersatz.
Der Beklagte meinte, dass er keine Pflichten aus dem Vertragsverhältnis verletzt habe. Jedenfalls könne er nichts dafür, dass sein Bruder die Hosen anderweitig weiterverkauft habe.
Gerichtsentscheidung:
Das Landgericht Coburg gab der Klage in vollem Umfang statt.
Durch den Kaufvertrag hatte der Verkäufer die Verpflichtung übernommen, aus einem bestehenden Vorrat zu liefern. Die eingetretene Unmöglichkeit der Lieferung hat der Verkäufer nach Auffassung des Landgerichts auch zu vertreten. Der Schuldner muss seinen Geschäftsbetrieb so organisieren, dass Veräußerungen, die bestehenden Verträgen widersprechen, unterbleiben. Es war nicht ersichtlich, dass der beklagte Verkäufer entsprechende Vorkehrungen getroffen hatte.
Hinsichtlich des behaupteten entgangenen Gewinns vernahm das Gericht denjenigen, der die Hosen vom Internetkäufer erwerben wollte. Dieser Zeuge gab an, dass er bereits mehrmals größere Posten Ware vom Kläger erworben hatte. Daher war das Gericht davon überzeugt, dass dieser Zeuge die Hosen für 30.000,00 Euro abgenommen hätte. Somit muss der beklagte Internetverkäufer den Schadenersatz und die Verfahrenskosten bezahlen.
Fazit:
Bei Unmöglichkeit der Leistung haftet der Verkäufer grundsätzlich für alle Umstände, die seinem Geschäftskreis zuzurechnen sind. Ein Verkäufer muss seinen Geschäftsbetrieb so organisieren, dass eine bereits verkaufte Ware nicht noch einmal verkauft wird.
(Landgericht Coburg, Urteil vom 17.09.2012, Az.: 14 O 298/12; rechtskräftig)
Quelle: Pressemitteilung des LG Coburg vom 11.02.2013
Wenn wir schon bei Lehrbuchfällen sind – ich erinnere mich gerne noch an die Durchprüfung aller denkbaren Varianten dieser Fälle im Schuldrecht aus dem Studium.
Daher hier eine denkbare Abwandlung des obrigen Falles:
Den Verkäufer hätte kein Verschulden getroffen, z.B. weil ein Blitzschlag die Lagerhalle zerstört hat und der Verkäufer alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen gegen Blitzschlag getroffen hatte (ihn also kein Verschulden trifft) – ein Fall der nunmehr nachträglichen, subjektiven, nicht zu vertretenden Unmöglichikeit im Synallagma: Kein Schadensersatzanspruch hier des Käufers, da der Verkäufer die Unmöglichkeit der Leistungserbringung nicht zu vertreten hat.
Der Jurist weiß es – der Nichtjurist kann glaube ich nicht erahnen, wieviele Varianten man hiervon noch bilden kann – mit jeweils unterschiedlichen Rechtsfolgen (z.B.anfängliche – also vorvertragliche – Unmöglichkeit, objektive Unmöglichkeit, jeweils unterschieden wer was zu vertreten hat – und das bitte in allen Variationen!).
RA Steinle, LL.M., Fachanwalt für IT-Recht, Externer Datenschutzbeauftragter (IHK), Karlsruhe