Werden unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln Waren verkauft – typischerweise über Internet oder Telefon -, so steht dem Käufer als Verbraucher ein Widerrufsrecht nach §§ 312d Abs. 1, 355 BGB zu.
Zwar hat der Gesetzgeber in § 357 Abs. 2 BGB ausdrücklich bestimmt, dass der Verkäufer bei einem wirksamen Widerruf des Kaufvertrags grundsätzlich die Rücksendekosten zu tragen habe (Ausnahme bei einem Warenwert unter 40 EUR). Über die Hinsendekosten, also die Versandkosten bei der Zusendung der Ware, schweigt sich das Gesetz jedoch aus.
Daher ist es nicht überraschend, wenn diese Frage seit jeher in Rechtsprechung und juristischer Literatur kontrovers beurteilt wird.
Jüngstes Urteil zu dieser Frage ist das des LG Karlsruhe vom 19.12.2005 (Az. 10 O 794/05).
Das Landgericht Karlsruhe stellte fest, dass einem Verbraucher bei einem Widerruf des Kaufvertrags auch die Hinsendekosten zu erstatten sind. Das Gericht entnimmt dies dem eindeutigen Wortlaut der zugrunde liegenden Fernabsatzrichtlinie, denn nach Art. 6 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 FernabsatzRL seien nämlich die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden könnten; die vom Verbraucher geleisteten Zahlungen habe der Lieferer im Fall des Widerrufs kostenlos zu erstatten.
Das Landgericht Karlsruhe führt ferner aus, dass andernfalls auch gerade bei geringwertigen Waren die Gefahr bestünde, dass der Verbraucher von der Ausübung seiner Widerrufs- und Rückgaberechte abgehalten würde; dies würde dem von der FernabsatzRL bezweckten Schutz widersprechen.
Auch die Konstruktion eines vom Kaufvertrag getrennten eigenständigen Versendungsvertrag lässt das Gericht nicht gelten. Denn beim Versandhandelskauf wäre eine Aufspaltung des Rechtsverhältnisses zwischen Unternehmer und Verbraucher in einen Kaufvertrag und einen Versendungsvertrag mit der Folge, dass bei Widerruf des Kaufvertrags nur der Kaufpreis, nicht aber die Hinsendekosten zurückzuerstatten wären, eine unnatürliche Aufspaltung eines aus Sicht des Verbrauchers einheitlichen Vorganges.
Die Berufung beim OLG Karlsruhe ist anhängig.
Praxistipp…
…für Versandhändler: Aufpassen, Abmahnfalle! Wenn Ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Regelung enthält, nach der der Käufer bei einem Widerruf die Hinsendekosten zu tragen habe, laufen Sie Gefahr, wegen Verstoßes gegen zwingende verbraucherschützende Vorschriften abgemahnt zu werden. Wichtig: Dies gilt nur für Fälle des Widerrufs oder der Rückgabe nach § 355 BGB und § 356 BGB.
…für Fernabsatzkäufer: Sind Sie Verbraucher und behält Ihr Versandhändler die Hinsendekosten bei Ausübung des Widerrufs ein, so weisen Sie ihn auf die geltende Rechtslage hin. Bei „unvertretbarer Beharrlichkeit“ des Verkäufers setzten Sie Ihre Rechte am besten gerichtlich durch und melden dieses Verhalten der Wettbewerbs- oder Verbraucherzentrale.
(RA Steinle, LL.M., Fachanwalt für IT-Recht, Externer Datenschutzbeauftragter (IHK), Karlsruhe)