„Klassiker“ aus dem Bereich eCommerce-Recht sind Fälle rund um die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen. Ein Beispiel, wie verzwickt manchmal die Argumentation sein kann und wie wichtig das richtige rechtliche Vorgehen bei solchen Sachverhalten ist, zeigt der vom Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht geschilderte Fall. Hier scheiterte nämlich die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen (unter anderem) daran, dass die Gewährleistungsrechte zu dem Zeitpunkt geltend gemacht wurden, in dem der Mangel wegen eigener Mangelbeseitigung schon garnicht mehr vorlag.
Im Einzelnen:
Der Käufer eines gebrauchten PKWs hat keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags, wenn er einen Mangel am PKW selbst reparieren lässt und erst anschließend die Rückabwicklung verlangt. Dies hat der 3. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in einem vor kurzem verkündeten Urteil entschieden.
Zum Sachverhalt: Anfang 2011 ersteigerte der Kläger einen 17 Jahre alten PKW Mercedes Benz (Dieselfahrzeug, Kilometerstand 167.000) bei einer Versteigerung auf der Ebay-Internetplattform zu einem Preis von 2.411 Euro. Der Verkäufer hatte unter anderem den Wagen damit beworben, dass er „15 Jahre lang im Besitz einer Familie“ gewesen sei. Zu dem Fahrzeug gab er Folgendes an: „Vorglühanzeige zeigt defekte Glühkerzen“ Weiterhin schrieb er „keine Garantie + keine Rücknahme, da Privatverkauf“.
Der Kläger stellte nach dem Kauf fest, dass eines der Gewinde für die Glühkerzen am Zylinderkopf fachwidrig aufgebohrt war und ließ diesen Mangel im Februar 2011 für 500 Euro beseitigen. Im Oktober 2011 erklärte er dem Verkäufer, dass er vom Verkauf zurücktrete. Als dieser sich weigerte, den Wagen gegen Rückzahlung des Kaufpreises und Erstattung der Reparaturkosten zurückzunehmen, ging er vor Gericht.
Aus den Gründen: Der Käufer hat keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages. Zum Zeitpunkt seiner Rücktrittserklärung im Oktober 2011 war der Kaufgegenstand nicht mangelhaft, weil die Reparatur des Zylinderkopfes bereits erfolgt war. Für die Beurteilung, ob ein den Rücktritt rechtfertigender Mangel vorliegt, ist auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen. „Der Käufer verhielte sich widersprüchlich, wenn er den Mangel beseitige und dann den Kaufvertrag wegen eines Mangels rückabwickeln möchte, der nicht mehr vorliegt.“
Der Verkäufer hat auch über die Anzahl der Vorbesitzer keine falschen Angaben gemacht, indem er „Familienbesitz“ behauptet hat. Die beiden Vorbesitzer innerhalb der ersten 15 Jahre waren Schwiegervater und Schwiegersohn. „Es ist noch vertretbar, bei Schwägerschaft in diesem Kernbereich einer Familie von „Familienbesitz“ zu sprechen.“ Der Verkäufer hat nicht ausdrücklich behauptet, dass es sich um seine eigene Familie gehandelt habe. In diesem Sinne war seine Erklärung auch nicht eindeutig zu verstehen. Ein Vergleich des Datums der Erstzulassung März 1994 mit dem des Angebots Ende 2010 offenbarte, dass der PKW schon über einen längeren Zeitraum von fast 17 Jahren in Gebrauch war. Damit war erkennbar, dass der 15jährige Nutzungszeitraum des Familienbesitzes nicht den ganzen Nutzungszeitraum abdeckte. Wenn der Kläger insoweit an genauer Auskunft interessiert war, hätte er nachfragen können.
Der Käufer kann auch nicht den Ersatz der Reparaturkosten über 500 Euro verlangen. Der Verkäufer hat die Gewährleistung im Kaufvertrag wirksam ausgeschlossen und haftet auch nicht aufgrund von arglistigen Verschweigens eines Mangels. Es ist ihm nicht nachzuweisen, dass ihm der Zustand des Glühkerzengewindes bekannt gewesen war. Dieser war ohne Ausbau nicht erkennbar. Der Verkäufer hatte den Wagen von dem Vorbesitzer selbst mit dem Hinweis auf eine „defekte Vorglühanlage“ erworben, die die Fahrbereitschaft des Fahrzeugs allerdings nicht hinderte.
Quelle: Pressemitteilung des Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgerichts vom 15.01.2013