Aktuelle Entscheidung des AG München zur Mängelhaftung
Einen aktuellen Fall des Amtsgerichts München nehme ich zum Anlass, um über Softwaremängel und insbesondere die Folgen vom Vorhandensein von Softwäremängel zu schreiben – präziser formuliert von „Sachmängeln“ in typischen Softwareverträgen, also typischerweise beim Softwareüberlassungsvertrag wie etwa dem Softwarekauf (=Kaufvertrag) oder der Softwarerstellung (=Werkvertrag, Werklieferungsvertrag).
Softwarelizenz und Softwareüberlassung
Zwar ziert viele Softwareverträge die Überschrift „Lizenzvertrag“ oder „Softwareüberlassung“ und es wird manchmal in den Vertragswerken „herumfabuliert“, eine Software werde etwa nicht verkauft, sondern nur eine „Lizenz“ daran eingeräumt oder „das Eigentum verbleibe beim Softwarehersteller“ mit der offensichtlichen Intension des Klauselstellers, so wenig Rechte wie möglich dem Erwerber der Software einzuräumen. Solche Klauseln sind für den Juristen und die Gerichte (in aller Regel) uninteressant, da unwirksam, denn der Jurist fragt sich zu allererst, welchen Charakter das Gesamt-Vertragswerk hat. Diese Feststellung führt dann zur Anwendung der jeweils anwendbaren Rechtsnormen, insbesondere auch zur Auslegung nach AGB-Recht, ob nämlich betreffende Vertragsklauseln nicht etwa mit „wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren“ sind (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
Bedeutet: Liegt etwa eine Softwareüberlassung auf Dauer vor, bedeutet dies, dass die „Grundgedanken der gesetzlichen Regelung“ im Kaufrecht zu suchen sind, bei einer „Softwareüberlassung auf Zeit“ schaut man im Mietrecht, bei einer Softwarerstellung (je nach Variation: auch Anpassung, Customizing usw.) im Werk(-liefer)vertragsrecht, ggf. im Dienstleistungsrecht. Ganz so einfach und so klar ist das in der Praxis natürlich nicht, aber zumindest vom Grundsatz her so.
Die rechtliche Einordnung des Vertragstyps ist entscheidend
Diese Einordnung ist auch ausschlaggebend für die Frage, welche gesetzlichen Gewährleistungsregeln maßgeblich sind.
Auch wenn man trefflich (wie seit „Anbeginn der Existenz von Software“) darüber streiten kann, ob Software nun eine Sache ist (§ 90 BGB: „Sachen im Sinne des Gesetzes sind nur körperliche Gegenstände.“) oder nicht – die herrschende Rechtsprechung wendet zumindest die Rechtsnormen betreffend Sachen (zumindest entsprechend) auf Software an.
Womit beim Gewährleistungsrecht die Frage des Vorliegens eines „Sachmangels“ der Ausgangpunkt jeder Prüfung ist. Im Kaufrecht und Werkvertragsrecht ist eine Sache mangelfrei, wenn sie gem. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB bzw. § 633 Abs. 2 S. 1 BGB „die vereinbarte Beschaffenheit hat.“ Im Mietrecht steht die „Aufrechterhaltung der Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch“ (§ 636 Abs. 1 S. 1 BGB) im Mittelpunkt während das Dienstvertragsrecht kein ausdrücklich kodifiziertes Gewährleistungsrecht kennt – hier ist aber die Leistungserbringung „lege artis“ – also etwa bei der Softwareerstellung die Erbringung der Leistung „nach dem aktuellen Stand der Regeln der Softwareerstellung“ geschuldet.
Rechtsfolgen bei Vorliegen eines Softwaremangels
Für Softwareverträge nach Kauf- und Werkvertragsrecht bedeutet das Vorliegen eines Sachmangels, dass dem Käufer/Werkererwerber als gewährleistungsrechtlicher Primäranspruch ein Nacherfüllungsanspruch (also die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache) zusteht. Scheitert die Nacherfüllung und handelt es sich um eine nicht nur „unerhebliche Pflichtverletzung“ (§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB), kann der Erwerber der Software vom Vertrag zurücktreten oder Schadensersatz verlangen (§ 281 Abs. 1 BGB).
Ist der Softwaremangel erheblich?
In der Praxis der Gewährleistung bei Softwareprojekten ist ein Streitpunkt immer wieder die Frage der „Erheblichkeit eines Mangels“, also ob ein festgestellter Mangel an der Software (nach Kauf- oder Werkvertragsrecht) tatsächlich so erheblich ist, dass dieser einen Rücktritt oder die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen tragen kann.
Typischerweise kommt bei einer Streitigkeit um Softwaremängel selten ein Mangel allein daher – in der Regel gibt es eine ganze Latte an (je nach Fall vermeintlichen) Unzulänglichkeiten. Hier wird nun die Entscheidung des AG München relevant, dessen Sachverhalt die Lieferung und der Einbau einer Haustür zugrunde liegt.
Bedeutung des Urteils des AG München auf Softwaremängel
Haustür und Software – wie passt das zusammen? Leitsatz des Urteils ist: Mängel einer Werkleistung, die einzeln gesehen nicht erheblich sind, können zum Rücktritt vom Vertrag berechtigen, wenn sie in der Gesamtschau als nicht unerheblich anzusehen sind.
Bedeutet für die Gewährleistung bei Software-Werkverträgen (übertragbar auch auf Software-Kaufverträge): Viele kleinere, an sich unerhebliche Mängel an der Software können in der Gesamtschau dann doch letztendlich „erheblich“ werden und als nicht nur „unerhebliche Pflichtverletzung“ einen Rücktritt oder Schadensersatz im Rahmen des Softwarevertrags bedeuten. Das war zwar auch schon vor der Entscheidung des AG Münchens bereits herrschende Rechtsprechung, das Amtsgericht stellt dies in seiner Entscheidung aber sehr schön und deutlich dar.
RA Steinle, LL.M., Fachanwalt für IT-Recht, Externer Datenschutzbeauftragter (IHK), Karlsruhe
Anbei die Original Pressemitteilung des AG München:
Sachverhalt der Entscheidung des AG München
Anfang Juni 2010 bestellte der spätere Kläger eine Aluminium-Haustüre. Diese wurde im September 2010 montiert und mit 5485,90 Euro abgerechnet. Der Besteller zahlte darauf die Hälfte, also 2742,95 Euro. Bei näherer Überprüfung stellte er schließlich einige Mängel fest und monierte sie bei dem Werkunternehmer.
Dieser lehnte eine Nachbesserung ab. Daraufhin erholte der Auftraggeber ein Gutachten.
Der Gutachter stellte folgende Mängel fest: Undichtigkeit der Tür im Sockelbereich auf Grund einer fehlerhaften Installation/Einpassung der Haustüre; kein Einbau eines Standard-Profi-Zylinder mit Not- und Gefahrenfunktion; keine Einpassung der Verbindungsnähte des linken Seitenteils der Haustüre mittels der vom Profilsystemlieferanten Schüco vorgeschriebenen Fräsung; die Abdeckrosette beim Schlüsselloch befindet sich nicht genau mittig auf der Ausfräsung, da die Ausfräsung für den Profilzylinder im Profil und die Bohrung in der äußersten Profilwandung nicht exakt übereinander liegen; die Höhe des Edelstahlsockelblechs ist 5 cm höher als die Oberkante des Sockelprofils des Festfeldes.
Daraufhin trat der Besteller vom Werkvertrag zurück und verlangte seine 2742,95 Euro wieder. Der Türhersteller weigerte sich zu bezahlen. Die Mängel seien nicht wesentlich, teilweise nur optisch und würden zum Rücktritt nicht berechtigen.
Der Auftraggeber erhob Klage vor dem Amtsgericht München. Die zuständige Richterin gab ihm Recht:
Der Kläger habe in berechtigter Weise den Rücktritt vom Werkvertrag erklärt. Es stehe ihm daher der Anspruch auf Rückzahlung des bereits hälftig gezahlten Werklohns Zug um Zug gegen Rückgabe der Haustüre zu.
Die eingebaute Haustüre sei, wie der Sachverständige ausgeführt habe, nicht frei von Sachmängeln.
Viele kleine Mängel sind in Summe ein erheblicher Mangel
Diese Mängel berechtigten den Kläger zum Rücktritt, da sie alle zusammengenommen nicht unerheblicher Natur seien. Bei der Beurteilung dieser Frage müsse eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen werden. Dabei sei der für eine Mängelbeseitigung vorzunehmende Aufwand, die technische und ästhetische Beeinträchtigung sowie ein mögliches Mitverschulden eines Bestellers zu berücksichtigen. Von einer Erheblichkeit eines Mangels könne im Allgemeinen gesprochen werden, wenn die Kosten der Beseitigung des Mangels 10% der vereinbarten Gegenleistung ausmachten.
Der Sachverständige halte in seinem Gutachten Mängelbeseitigungskosten bzgl. des 1. Mangels in Höhe von 90 , bzgl. des 2. Mangels in Höhe von 72,50 für erforderlich. Daher würden diese Mängelpunkte für sich allein gesehen einen Rücktritt mangels Erheblichkeit nicht rechtfertigen.
Für den 3. Mangelpunkt – Verfüllung der offenen Fuge am stumpfen Stoß des Sockelprofils mit Dichtstoff – setze der Sachverständige hingegen Nettokosten in Höhe von 760 -1000 an, mithin brutto zwischen 904,40 und 1190 , da das Sockelprofil ausgetauscht werden müsse. Es handele sich auch nicht nur um einen optischen Mangel, der kaum sichtbar und damit unerheblich sei. Die Verfüllungen mit Dichtstoff seien klar zu erkennen. Bei einer ordnungsgemäßen Verarbeitung wäre die offene, klaffende Fuge nicht entstanden, die sodann nicht mit Dichtstoff ausgefüllt werden hätte müssen. Die Mängelbeseitigungskosten belaufen sich auf fast 1/5 der Gesamtkosten der Haustür, so dass auch aus wirtschaftlicher Sicht ein nicht unerheblicher Mangel gegeben sei.
Hinsichtlich des 4. Mangels – nicht mittige Abdeckrosette beim Schlüsselloch sei festzuhalten, dass dieser Mangel für sich allein betrachtet einen Rücktritt nicht rechtfertigen könnte: der Schlüssel könne entsprechend den Feststellungen des Sachverständigen infolge Nachbesserung der Beklagten zwischenzeitlich mit normalen Kraftaufwand gedreht werden. Die Abdeckrosette könne auch nicht mittig angebracht werden, da die Bohrung auf dem Haustürblatt für die Abdeckrosette nicht exakt der Ausfräsung für den Profilzylinder im Profil selbst entspräche. Diese Versetzung nach links könnte auch durch eine etwas größere Abdeckrosette behoben werden.
Hinsichtlich des 5. Mangels sei die Entfernung des Edelstahlsockelblechs nicht sinnvoll, da es zu einer Beschädigung der Lackierung kommen könnte. Es müsste daher entweder eine neue Haustüre angefertigt werden oder ein Blendrahmensockelprofil in entsprechender Höhenanfertigung zum Edelstahlsockelblech besorgt werden, soweit es ein Blendrahmensockelprofil in unterschiedlichen Höhen herstellerbedingt überhaupt gäbe. Dies würde erhebliche Kosten verursachen. Damit sei aber auch dieser Mangel nicht unerheblich.
Damit läge in der Gesamtschau eine erhebliche Mangelhaftigkeit vor, die zum Rücktritt berechtigte.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Urteil des Amtsgerichts München vom 7.2.13, AZ 275 C 30434/12
Quelle: Pressemitteilung Amtsgericht München vom 17.06.2013