Die Entscheidung des OLG Dresden vom 5.9.2012, Az. 4 W 961/12 ist im Moment ja ein vieldiskutierter Fall – ich hatte ja auch darüber berichtet, siehe hier.
Leider sehe ich häufig, dass der falsche Schluss aus der Entscheidung gezogen wird. Quintessenz der Entscheidung ist nämlich eigentlich nicht, dass man den Beschäftigten (im konkreten Fall war es ja ein freier Mitarbeiter) um Einwilligung in die Löschung seiner privaten E-Mails bitten muss, sondern dass diese privaten E-Mails herauszugeben sind.
Denn das ist ja eigentlich die Konsequenz des Falles: Wenn eine Einwilligung zur Löschung des privaten Contents verweigert wird – das kann ja bei einer freiwilligen Einwilligung durchaus der Fall sein – dann bedeutet dies ja nicht, dass der E-Mail-Account bis in alle Ewigkeit gesichert werden muss. Denn das ist ja – abgesehen von Fällen mit etwaigen Aufbewahrungspflichten für Geschäftsbriefe und nach HGB – datenschutzrechtlich auch wieder problematisch (Löschpflicht nach Zweckwegfall § 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 BDSG und allgemeiner Grundsatz der Datensparsamkeit § 3a BDSG). Hier sind dem Betroffenen die privaten E-Mails entweder in geeigneter Weise herauszugeben (nach Ansicht des Gerichts als Nebenpflicht des zugrundeliegenden Beschäftigungsvertrags oder aus §§ 812, 985 BGB) oder dem Betroffenen die Möglichkeit zum „wegsichern“ zu gewähren. Nur weil dies im Fall des OLG Dresden nicht möglich war, zog das Gericht die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruchs in Betracht.
Auch dürfte die angesprochene Entscheidung in der Regel nur für den Fall einer fristlosen Kündigung oder einer sofortigen Beendigung der Zusammenarbeit relevant werden.
Im Fall, dass ein Beschäftigungsverhältnis ordentlich unter Wahrung der Kündigungsfristen endet, bleibt für den Betroffenen ausreichend Zeit, seinen privaten Content auszusondern und in geeigneter Art und Weise zu sichern. Und dies muss – das ist die Schlussfolgerung aus der Entscheidung – dem Mitarbeiter erlaubt werden.
Das kann natürlich in manchen Fällen wiederum gerade bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinsichtlich der Wahrung von Betriebsgeheimnissen problematisch sein, insbesondere wenn der Arbeitgeber fürchten muss, dass etwa der Beschäftigte mit Verlassen des Arbeitsplatzes bei der Gelegenheit auch noch betrieblichen Content und Know-How abzuziehen versucht. Dies ist letztendlich aber schlichtweg die Folge der Erlaubnis der Nutzung eines betrieblichen E-Mail-Accounts auch für private Zwecke. Denn der Arbeitgeber darf von privaten E-Mails keine Kenntnis nehmen (aufgrund Fernmeldegeheimnis § 88 TKG oder zumindest die Auswirkungen hiervon, je nach beurteilendem Gericht). Und wie will der zur Herausgabe verpflichtete Arbeitgeber denn ohne Kenntnisnahme des Inhalts zwischen privatem und geschäftlichem Content bei einer Herausgabe der Nachrichten differenzieren?
Im übrigen dürfte das Gesagte nicht nur für E-Mails, sondern auch für sonstigen (erlaubt gespeicherten) privaten Content wie Texte, Videos, Musik usw. gelten – hier spielt auch noch die Inhaberschaft an urheberrechtlichen Nutzungsrechten und das Eigentumsrecht mit hinein.
Meines Erachtens wieder ein Argument – neben so vielen anderen, eine saubere Trennung von betrieblicher und privater E-Mail- und Content-Haltung zu beachten.
Zum Wortlaut der Entscheidung des OLG Dresden
RA Steinle, LL.M., Fachanwalt für IT-Recht, Externer Datenschutzbeauftragter (IHK), Karlsruhe