In einem Verfahren über die Gewährung von Prozesskostenhilfe hatte dass OLG Dresden in seiner Entscheidung vom 5.9.2012 (Aktenzeichen 4 W 961/12) entschieden, dass dem Grunde nach aufgrund der Löschung eines E-Mail-Accounts eines Vertragspartners ein Anspruch auf Schadensersatz in Betracht kommen könnte.
Was war geschehen? Der Antragsteller war beim Antragsgegner als freier Mitarbeiter (Fahrradkurier) tätig und erhielt für die Dauer seiner Tätigkeit ein Smartphone. Nach Beendigung des Vertragsverhältnisses entstanden offensichtlich Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien, die darin gipfelten, dass der Antragsteller den Antragsgegner auf Unterlassung der Betätigung bestimmter Äußerungen in Anspruch nehmen wollte, Auskunft über gebrauchte erbrachte Leistungen erfragte als auch sämtliche des an den Antragsteller vermieteten E-Mail-Account vorhandene Daten an diesen herauszugeben. Die Herausgabe des Smartphones verweigerte der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner.
Der Herausgabeanspruch bezüglich der Daten auf dem E-Mail-Account scheiterte, da der Antragsgegner den E-Mail-Accounts und alle darauf befindlichen Daten bereits gelöscht hatte.
Allerdings hielt es dass OLG Dresden für denkbar, dass aufgrund der Löschung der Daten in einem E-Mail-Account ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach gegeben sein könnte. Das Gericht stützte diesen Anspruch auf eine Verletzung der vertraglichen Nebenpflichten aus dem zwischen den Parteien bestehenden Vertrag sowie auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz (§ 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB – Urkundenunterdrückung und § 303a StGB – Datenveränderung).
Das Gericht führt dazu aus, dass es zu den vertraglichen Nebenpflichten gehöre, Schäden von Rechtsgütern des anderen Vertragspartners fernzuhalten, die aus der eigenen Sphäre entstehen können. Werde im Rahmen eines Vertragsverhältnisses von einem Vertragspartner für den anderen ein E-Mail Account angelegt, auf dem dieser auch private E-Mails speichert, entspreche es den vertraglichen Nebenpflichten, von einer Löschung des Accounts nach Beendigung des Vertragsverhältnisses so lange abzusehen, bis klar sei, dass die andere Partei an der Nutzung des Accounts kein Interesse mehr habe. Dies lasse sich im vorliegenden Fall – so das OLG Dresden – aber nicht feststellen.
Diese Entscheidung ist bemerkenswert: Insbesondere dürfte dieser Sachverhalt auch auf die Konstellation des klassischen Arbeitsverhältnisses übertragbar sein, wenn auch hier der Arbeitnehmer private E-Mails auf dem betrieblichen Account speichert. Will man die Ausführungen des OLG Dresden auf diesen Sachverhalt übertragen, bedeutet dies, dass auch in solchen Konstellationen der Arbeitgeber sich – sofern es sich nicht klar aus den Umständen ergibt – von der Befugnis der Löschung auch der privaten E-Mails versichern sollte.
Andererseits ist vorliegend auch folgendes zu bedenken: Es handelt sich bei dem Verfahren um ein solches zur Gewährung von Prozesskostenhilfe. Das Gericht muss also lediglich feststellen, ob ein entsprechender Klageantrag grundsätzlich Aussicht auf Erfolg haben könnte. Darüber hinaus wird die Kunst hier sein, einen Schaden konkret zu beziffern. Dies dürfte in den meisten Fällen schwierig werden, ist im Einzelfall aber durchaus denkbar.
Zur Entscheidung des OLG Dresden
RA Steinle, LL.M., Fachanwalt für IT-Recht, Externer Datenschutzbeauftragter (IHK), Karlsruhe