Aus Anlaß einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu dem Thema „Frage an einen Stellenbewerber nach eingestellten Ermittlungsverfahren“ möchte ich kurz darstellen, wie es sich generell mit der Frage nach Vorstrafen durch den Arbeitgeber im Bewerbungsverfahren verhält.
Eine solche Frage des Arbeitgebers ist nur dann zulässig, wenn die Vorstrafen einen unmittelbaren Bezug zu dem angestrebten Arbeitsverhältnis und Arbeitsplatz haben – also „einschlägig“ sind.
Beispiele:
- Zulässig ist bei der Einstellung eines Kraftfahrers die Frage nach Straftaten mit Bezug zum Straßenverkehr oder der Führung von Kraftfahrzeugen.
- Zulässig ist bei der Einstellung eines Kassierers die Frage nach verübten Vermögensdelikten
Es ist bei der Stellung der Fragen also darauf zu achten, dass dem Bewerber klar wird, dass er nur Angaben zu einschlägigen Straftaten machen muss. Ansonsten muss der Bewerberer keine Aussagen treffen – ihm steht sogar das „Recht zur Lüge“ zu. Konsequenz: Das Arbeitsverhältnis darf im Nachhinein aus Gründen der Falschangaben nicht wegen arglistiger Täuschung angefochten werden.
Allerdings gilt dies auch für einschägige Vorstrafen auch dann nicht, wenn diese aus dem polizeilichen Führungszeugnis gelöscht wurden (§ 51 BZRG).
Eine Frage nach einem laufenden Ermittlungsverfahren soll wegen einer drohenden Abwesenheit wegen eines Strafantritts erlaubt sein.
RA Steinle, LL.M., Fachanwalt für IT-Recht, Externer Datenschutzbeauftragter (IHK), Karlsruhe
Zu diesem Thema die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.11.2012:
Der Arbeitgeber darf den Stellenbewerber grundsätzlich nicht nach eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren fragen. Eine solche unspezifizierte Frage verstößt gegen Datenschutzrecht und die Wertentscheidungen des § 53 Bundeszentralregistergesetz (BZRG). Stellt der Arbeitgeber die Frage dennoch und verneint der Bewerber in Wahrnehmung seines informationellen Selbstbestimmungsrechts wahrheitswidrig, dass gegen ihn Ermittlungsverfahren anhängig waren, darf der Arbeitgeber das zwischenzeitlich begründete Arbeitsverhältnis nicht wegen dieser wahrheitswidrig erteilten Auskunft kündigen.
Der 1961 geborene Kläger bewarb sich als sog. Seiteneinsteiger im Sommer 2009 als Lehrer an einer Hauptschule in Nordrhein-Westfalen. Vor seiner Einstellung wurde er aufgefordert, auf einem Vordruck zu erklären, ob er vorbestraft sei, und zu versichern, dass gegen ihn kein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft anhängig sei oder innerhalb der letzten drei Jahre anhängig gewesen sei. Der Kläger unterzeichnete den Vordruck, ohne Angaben zu etwaigen Ermittlungsverfahren zu machen. Er wurde zum 15. September 2009 eingestellt. Im Oktober 2009 erhielt die zuständige Bezirksregierung einen anonymen Hinweis, der sie veranlasste, die Staatsanwaltschaft um Mitteilung strafrechtsrelevanter Vorfälle zu bitten. Die daraufhin übersandte Vorgangsliste wies mehrere nach §§ 153 ff. StPO eingestellte Ermittlungsverfahren aus. Das beklagte Land kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich, weil der Kläger die Frage nach Ermittlungsverfahren unrichtig beantwortet habe. Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Bereits eingestellte Ermittlungsverfahren habe er nicht angeben müssen.
Das Arbeitsgericht hat die außerordentliche Kündigung, das Landesarbeitsgericht auch die ordentliche Kündigung als unwirksam angesehen. Die hiergegen eingelegte Revision des beklagten Landes blieb vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Eine Erhebung von Daten, wie sie die unspezifizierte Frage nach Ermittlungsverfahren darstellt, ist nach den datenschutzrechtlichen Bestimmungen in Nordrhein-Westfalen nur zulässig, wenn sie durch eine Rechtsvorschrift erlaubt ist oder der Betroffene einwilligt. Solche Informationen zu abgeschlossenen Ermittlungsverfahren sind für die Bewerbung um eine Stelle als Lehrer nicht erforderlich und damit nicht durch § 29 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen gestattet. Die allein auf die wahrheitswidrige Beantwortung der Frage nach Ermittlungsverfahren gestützte Kündigung verstieß deshalb gegen die objektive Wertordnung des Grundgesetzes, wie sie im Recht auf informationelle Selbstbestimmung, bei dem es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG) handelt, zum Ausdruck kommt. Sie war deshalb gemäß § 138 Abs. 1 BGB unwirksam.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. November 2012 – 6 AZR 339/11 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 10. März 2011 – 11 Sa 2266/10 –
Quelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.11.2012