Wie oft liest man in den „Softwareverträgen“, „Softwareüberlassungsverträgen“, den „Enduser License Agreements“ oder „Softwarelizenzen“ folgendes:
„Die Software wird lizenziert, nicht verkauft. Dieser Vertrag gibt Ihnen nur einige Rechte zur Verwendung der Features, die in der von Ihnen lizenzierten Software-Edition enthalten sind.“ (Beispiel aus dem Lizenztext eines großen amerikanischen Softwareherstellers).
Oder sinngemäß:
„Das alleinige Eigentum an der Software verbleibt beim Softwarehersteller. Sie dürfen die Software lediglich entsprechend der nachfolgenden Lizenzbestimmungen nutzen.“
Man versucht sich hier eines Kunstgriffs, indem nur auf die Einräumung von Nutzungsrechten an einer Software angespielt wird, ähnlich einer Lizenz für die Nutzung gewerblicher Schutzrechte wie Patente, Marken oder Gebrauchsmuster. Damit wird allerdings die Überlassung der Ware „Software“ aber glatt unterschlagen – und wird damit juristisch gesehen diesem Vorgang nicht gerecht.
Eine solche Aussage – die Ware wird nur lizenziert und nicht verkauft – wäre bei jedem anderen (urheberrechtlich geschützten) Produkt als Software schlichtweg ein Skandal.
Beispiel Buch: Ich erhalte beispielsweise ein Buch, dieses wird mir aber weder verkauft noch vermietet, sondern nur lizenziert. Mithin soll ich keine Rechte als Eigentümer oder Mieter der Ware haben? Hört sich merkwürdig – ist es auch.
Hintergrund der etwas seltsamen Konstruktion bei der Überlassung von Software ist die oftmalige Scheu des Softwareherstellers, mit einem Verkauf der Software („Softwarekaufvertrag“) auch das Eigentum an der konkreten Softwarekopie zu überlassen. Denn der Eigentümer einer Sache hat weitgehende Rechte hinsichtlich des Umgangs mit seinem Gut (§ 903 S. 1 BGB: „Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen.“), unter anderem auch die Software entsprechend § 69c Nr. 3 S. 2 UrhG nach Eintritt der urheberrechtlichen Erschöpfungswirkung weiterverbreiten (sprich: weiterzuverkaufen oder zu verschenken).
Grundsätzlich verhält sich die Sache so:
Wird eine Sache auf Dauer gegen Entgelt überlassen, bedeutet dies juristisch gesehen einen Kauf (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB: „Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen.“).
Wird eine Sache auf Zeit gegen Entgelt überlassen, bedeutet dies juristisch gesehen eine Miete (§ 535 Abs. 1 S. 1 BGB: Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren.).
Thema Software: Jetzt könnte man natürlich einwenden, Software sei keine Sache. Da ist es grundsätzlich in der Tat richtig, dass Software per se nicht vergleichbar ist mit „klassischen“ Sachen wie Büchern oder CDs. Andererseits ist die Diskussion um die Sachqualität von Software inzwischen schon so alt wie die Existenz von Software an sich. Der Bundesgerichtshof spricht sich mittlerweise schon in ständiger Rechtsprechung für die Sachqualität von Software aus.
Ein anderer großer amerikanischer Softwarehersteller geht sogar noch weiter, und argumentiert, dass er seine Software verschenke, indem diese kostenfrei von dessen Website heruntergeladen werden könne. Allerdings dürfe der Erwerber der Software – quasi also der „Beschenkte“ – die Software erst nach Erwerb einer Lizenz auch entsprechend den Lizenzbedingungen nutzen.
Hier stellt der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seiner Entscheidung C-128/11, UsedSoft GmbH / Oracle International Corp. klar, dass es sich in allen Fällen einer Softwareüberlassung auf Dauer gegen Entgelt auch um einen Kaufvertrag – einen Softwarekauf – handelt und nicht „nur“ um eine und damit auch das Eigentum an der Software erlangt wird und nicht nur die Nutzungsrechte.
EuGH, Urteil in der Rechtssache C-128/11, UsedSoft GmbH / Oracle International Corp., Rn. 43-46:
“[Rn 43] Oracle macht geltend, sie verkaufe keine Kopien ihrer im Ausgangsverfahren fraglichen Computerprogramme. Sie stelle ihren Kunden auf ihrer Internetseite gebührenfrei eine Kopie des betreffenden Programms zur Verfügung, die die Kunden herunterladen könnten. Die so heruntergeladene Kopie dürften die Kunden jedoch nur nutzen, wenn sie mit Oracle einen Lizenzvertrag geschlossen hätten. Durch eine solche Lizenz erwürben ihre Kunden ein unbefristetes, nicht ausschließliches und nicht abtretbares Nutzungsrecht am betreffenden Computerprogramm. Weder durch die gebührenfreie Überlassung der Kopie noch durch den Abschluss eines Lizenzvertrags werde das Eigentum an dieser Kopie übertragen.
[Rn 44] Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Herunterladen einer Kopie eines Computerprogramms und der Abschluss eines Lizenzvertrags über die Nutzung dieser Kopie ein unteilbares Ganzes bilden. Das Herunterladen einer Kopie eines Computerprogramms wäre nämlich sinnlos, wenn diese Kopie von ihrem Besitzer nicht genutzt werden dürfte. Diese beiden Vorgänge sind also im Hinblick auf ihre rechtliche Einordnung in ihrer Gesamtheit zu prüfen (vgl. entsprechend Urteil vom 6. Mai 2010, Club Hotel Loutraki u. a., C 145/08 und C 149/08, Slg. 2010, I 4165, Randnrn. 48 und 49 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
[Rn 45] Zur Frage, ob in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens durch die fraglichen Geschäfte das Eigentum an der Kopie des Computerprogramms übertragen wird, ist festzustellen, dass aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, dass der Kunde von Oracle, der die Kopie des betreffenden Computerprogramms herunterlädt und mit Oracle einen Lizenzvertrag über die Nutzung dieser Kopie abschließt, gegen Zahlung eines Entgelts ein unbefristetes Recht zur Nutzung dieser Kopie erhält. Dadurch, dass Oracle eine Kopie des Computerprogramms zugänglich macht und ein entsprechender Lizenzvertrag abgeschlossen wird, soll diese Kopie für die Kunden von Oracle gegen Zahlung eines Entgelts, das es dem Urheberrechtsinhaber ermöglichen soll, eine dem wirtschaftlichen Wert der Kopie des ihm gehörenden Werkes entsprechende Vergütung zu erzielen, dauerhaft nutzbar gemacht werden.
[Rn 46] Unter diesen Umständen wird durch die in Randnr. 44 des vorliegenden Urteils erwähnten, in ihrer Gesamtheit geprüften Geschäfte das Eigentum an der Kopie des betreffenden Computerprogramms übertragen.“
Am Ende noch eine Klarstellung: Ich nutze auch gerne den Begriff der „Softwarelizenz“. Das liegt nicht daran, dass ich die klarstellenden Worte des EuGH nicht wertschätze. Sondern schlichtweg daran, dass sich dieser Begriff für einen „Softwareüberlassungsvertrag“ – so die korrekte juristische Bezeichnung – mehr oder weniger eingebürgert hat und gängig ist. Manch ein Mandant möchte partout, dass der für ihn entworfene Vertragstext mit „Softwarelizenz“ tituliert wird (und nicht etwa mit „Softwarekaufvertrag“ oder „Softwareüberlassungsvertrag in Form eines Kaufs“). Dem komme ich gerne nach – Namen sind ja bekanntlich wie Schall und Rauch…
RA Steinle, LL.M., Fachanwalt für IT-Recht, Externer Datenschutzbeauftragter (IHK), Karlsruhe